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CRM im Massenmarkt:
Fertige Lösungen lohnen sich auch für kleine Unternehmen  

Dr. Helbig & Partner: CRM als ASP ist machbar, wenn die Unternehmen es lernen, ihre Organisation anzupassen

Angesichts der komplexen Einführung von CRM(Customer Relationship Management)- Systemen kann ASP (Application Service Providing) eine echte Alternative darstellen. Allerdings nur, wenn das Unternehmen in der Lage ist, seine Kundenprozesse der Software des Dienstleisters anzupassen, nicht umgekehrt. Dann kann ein Unternehmen die Kosten- und Nutzungsvorteile von ASP nutzen. Vornehmliche Nutzer werden der Mittelstand, Freiberufler und Außendienst-Strukturen sein.

Lange Zeit stand das Wort ASP (Application Service Provisioning, zu deutsch: Anwendungen als Dienst) für die nächste Revolution in der Anwendung des Internets. Nach Themen wie „Internet-Shopping“ und „B2B-Markets“ suchten viele Startups nach neuen Themen, um den älteren Internet-Unternehmen noch etwas entgegenzusetzen oder eine Begründung für „noch einen IPO“ zu haben. Mit dem Schlagwort „ASP“ wurde ein entsprechendes Thema gefunden und ein weiterer Hype entstand.

Nach dem Ende des Internet-Booms ist es ruhiger um alle diese Schlagworte geworden. Zeit genug also, sich das Thema ASP einmal genauer und ruhiger anzuschauen, ob nicht doch etwas Substanz vorhanden ist. Zuerst einmal muss der Begriff ASP definiert werden.

ASP ist vor allem nicht einfach Outsourcing. Outsourcing wird seit Jahrzehnten von Großkonzernen praktiziert. Um die Wertschöpfungsstufe IT, die in vielen Branchen nicht zum Kerngeschäft gehört, von Firmen betreiben zu lassen, zu deren Kerngeschäft das gehört. Man erhofft sich damit einerseits eine Effizienzerhöhung, da der Outsourcing-Partner sein Geschäft meist besser versteht. Weiterhin ist ein externer Partner viel einfacher auf Effizienz und Service zu trimmen, als eine interne Abteilung. Letztere wird meist nicht direkt an betriebswirtschaftlichen Zielen gemessen und hat im schlimmsten Fall ein Kostenproblem durch starke Betriebsräte, interne Intransparenz und bürokratische Prozesse. Outsourcing ersetzt aber fast immer nur den Betreiber einer IT-Infrastruktur, selten wird dagegen eine andere Applikations-Software eingesetzt oder gar an Kernprozessen etwas geändert.

Hinter ASP steckt dagegen eine ganz andere Idee: Nicht eine vorhandene Applikation soll den Betreiber wechseln, sondern der Betreiber bringt seine Applikation gleich mit. Nicht der ASP-Kunde sagt dem Betreiber, welche Prozesse abzubilden sind, sondern der Betreiber bildet Standardprozesse ab, die der Kunde zwangsweise mitkauft. Damit verkauft der Betreiber Standarddienste an eine große Zahl von Kunden, statt nur die Software eines großen Kunden zu betreiben. Automatisch wird auch die Zielgruppe klar: Nur kleine und mittelgroße Firmen sind hierfür geeignet um die notwendige Stückzahl aufzubringen und entsprechend flexibel sich dem Angebot anpassen zu können.

Soweit die Theorie. Praktisch steckt hinter ASP dagegen ein uralter Traum der Software-Industrie. Bereits in seinem lange vor dem Internet-Boom erschienen Buch „The road ahead“ blickt Bill Gates mit leichtem Neid auf die Welt der Telekommunikationsdienste und deren Preismodelle: Jede Benutzung eines Telekommunikationsdienstes kostet den Kunden, Minute für Minute macht es Klick, Klick und klingelt in der Kasse. Microsoft und seine direkten Konkurrenten verkaufen dagegen Software nur einmal. Soll der Kunde erneut zur Kasse gebeten werden, müssen massive Innovationen den Kunden von den Vorteilen eines Upgrades überzeugen oder zumindest mit massiven Marketing-Kampagnen dieser Eindruck erzeugt werden. Um wie vieles einfacher wäre es doch, wenn Software nicht gekauft sondern gemietet würde. Am besten als Dienst, der im Minutentakt abgerechnet wird. Und damit war die Idee des ASP geboren. Den heute und für lange Zeit größten ASP-Dienst nutzt jeder von uns täglich: Telefonieren. Die Vermittlungsstellen der Telekommunikationsanbieter sind ja auch die größten und komplexesten gehosteten Software-Anwendungen, die es auf absehbare Zeit geben wird. Insbesondere in Deutschland wird zudem mit ISDN bereits ein umfangreiches Zusatzportfolio von Anwendungs-Features geboten.

Seit diesem geistigen Urknall sucht die Software-Industrie nun nach Anwendungen für die geniale Idee des Bill Gates, Software analog zur Telekommunikation als Dienst zu betreiben. Mit Web-Hosting, dem Hosten von Internet-Shops und der Bereitstellung von E-Mail-Servern sind bereits erste einfache Anwendungen dem Vorbild Telefonie erfolgreich gefolgt.

Schwierigkeiten machen dagegen komplexere Applikationen. Microsoft selbst hat als Teilschritt erst mal ein stringentes Lizenzmodell für seine Software eingeführt, dass auf einer Art Miete basiert und bietet Unterstützung für Anbieter, die auf dieser Basis das Hosting übernehmen wollen. Der alte Softwarezyklus Kauf plus Update ist damit gebrochen.

Es stellt sich nun die Frage, welche komplexeren Applikationen geeignet sind, vollständig von Dienstleistern betrieben zu werden. Dabei ist die entscheidende Frage: Warum sollte irgendjemand Software extern betreiben lassen, wenn er sie auch intern einfach auf seinen Rechnern installieren kann.

Darauf gibt es drei potentielle Antworten:

  • Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Nutzern des Dienstes     
    (Communication)

  • Einfache Handhabung (Convenience)

  • Kosteneinsparungen (Cost)

Der erste Punkt (Communication) liegt auf der Hand: Sobald eine Applikation viele Nutzer miteinander verbindet und evtl. sogar Nutzer außerhalb des Unternehmens anbindet (Vertriebe, Kunden, Lieferanten) gibt es fast keinen Grund mehr, diese Applikation nicht an neutraler Stelle im Netz zu betreiben. Dies senkt die Kosten der Datenübertragung und vereinfacht den Zugriff für alle Beteiligte. Das einleuchtende Extrembeispiel hierfür ist das Telefonieren. Aber auch E-Mail, Web-Host, Internet-Marktplätze, etc. sind Beispiele hierfür und funktionieren bereits erfolgreich als ASP.

Der zweite Punkt (Convenience) ist schon etwas komplexer. Der Anwender braucht sich bei einem ASP-Betrieb nicht um seine IT kümmern: Keine Server, die abstürzen; keine Leitungen, die gestört sind; keine veraltete Software, die der aktuellen Rechtlage, etc. nicht angepasst ist; keine Rechner, die zu klein sind; keine Backups, die sich beim Wiedereinspielen als fehlerhaft erweisen. Ein Beispiel hierfür ist ein meist völlig vergessener, aber trotzdem marktbeherrschender ASP-Anbieter: Die DATEV. Während noch alle Beratungsgesellschaften und Marktforscher für die kommenden Jahre ASP-Umsätze in Milliardenhöhe prognostizieren, aber die heutige Marktgrösse mit nahe Null ansetzen, straft die DATEV bereits seit Jahrzehnten alle diese Prognosen als inkompetent ab. Der DATEV-Dienst ist eine klare ASP-Anwendung, nutzt alle Skaleneffekte und erreicht genau die angestrebte Zielgruppe. Trotzdem findet sich in keiner Marktprognose der nicht unerhebliche Umsatz der DATEV wieder. Die DATEV hat genau den Punkt Convenience getroffen. Kein Steuerberater käme auf die Idee, selber einen Server im Keller aufzubauen, sich eine geeignete Applikation zu suchen und diese immer mit den neuesten Änderungen der Steuergesetzgebung aktuell zu halten. Und mit den Steuerberatern sind auch ihre Kunden an die DATEV gebunden. Also die Mehrzahl der mittelständischen Unternehmen.

Der letzte Punkt (Cost) ergibt sich aus den beiden bereits genannten. Weiterhin ergeben sich Kostenvorteile durch den Betrieb von standardisierten Applikationen für eine Vielzahl von Kunden. Bei Hardware, Software, Wartungspersonal, Netzanbindung, etc. kann gewaltig gespart werden und die bereits zitierten Beispiele für erfolgreiche ASP-Modelle machen dies auch mit gutem Ergebnis. Der Kunde bekommt diese Ersparnis in einem günstigen Preis als weiteres Nutzungsargument weitergereicht.

Nun tummeln sich auf dem ASP-Markt aber nicht nur die seit Jahren etablierten Dienste, sondern auch eine Vielzahl von neuen Angeboten. Gerade letztere sollen ja die gewaltigen Prognosen der Beratungshäuser erfüllen. Von diesen unterschiedlichsten Ideen erscheint allerdings gemäß unseren obigen Erfolgkriterien nur eine einzige wirklich interessant: CRM als ASP.

Customer Relationship Management erfüllt gleich alle drei unserer Kriterien:

  • CRM-Anwendungen müssen (bzw. sollten) meist von einer größeren Zahl von Nutzern im Unternehmen zugreifbar sein, als jede andere Anwendung (wie z.B. die Buchhaltung). Viele dieser Nutzer sind Außendienstmitarbeiter, die unterwegs oder direkt beim Kunden diese Informationen benötigen. In vielen Branchen ist sogar der Kunde selbst an einem Datenzugriff interessiert oder eingebunden, dies erhöht die Zahl der Nutzer um ein vielfaches. Auch die Art des Zugriffes ist äußerst unterschiedlich: Desktops, Telefone, Fax, Laptops, PDAs, Wap-Handys oder der Browser beim Kunden. Alles diese Kommunikationskanäle sollten zudem hochgradig abhörsicher sein und nach Benutzerrechten unterscheiden. I.E. die Kommunikation mit der Applikation ist entscheidend und diese sollte daher mit einer zentralen Netzanbindung gekoppelt sein.
     

  • Die Nutzer von CRM-Anwendungen sind meist Vertriebe und Marketingabteilungen, deren Bereitschaft sich mit neuen Anwendungen auseinanderzusetzen geringer ist, als bei technischen Abteilungen. Die Anwendung muss daher sehr einfach bedienbar und implementierbar sein und in gängige Standardsoftware (i.e. z.B. Microsoft-Office) integriert arbeiten. Weiterhin ist die IT-Ausrüstung von Vertrieben oft heterogen, das Aufspielen intern entwickelter Software entsprechend problematisch. Ein mit dem Internet-Browser zugreifbarer ASP-Dienst ist oft die einzig sinnvolle Lösung.
     

  • Kosteneinsparungen ergeben sich bei CRM als ASP durch den Netzverkehr, die Implementierungskosten beim Nutzer und durch die Skaleneffekte, die bei einer größeren Zahl von Nutzern stärker ins Gewicht fallen.

Trotzdem ergeben sich auch bei „CRM als ASP“ die gleichen Stolpersteine, die sich auch bei jedem anderen „XYZ als ASP“ ergeben:

  • Die Integration einer neuen Anwendung in ein Unternehmen erfordert oft eine kundenspezifische Anpassung dieser Anwendung. Dies steht im direkten Widerspruch zum ASP-Modell, das ja gerade von seinen Skaleneffekten lebt.
     

  • Die CRM-Anwendung muß auf Datenbanken zugreifen (Kundendaten, Produktdaten, Auftragdaten), die bereits von anderen Applikationen genutzt werden. Nun hat jede Applikation ihre eigene Sicht der Dinge und damit eine eigene Art diese Daten darzustellen, die kaum von der CRM-Anwendung ad hoc unterstützt wird.

Der letzte Punkt ist recht einfach eingeordnet: Dies ist das Kernproblem jeder IT-Realisierung von CRM-Prozessen. Ob nun ASP oder  kein ASP. Das ASP-Modell hat hier weder Vor- noch Nachteile. Üblicherweise gibt es vier Wege dieses Kernproblem anzugehen:

  • Man programmiert die CRM-Applikation um, so dass diese auf den vorhandenen Datenstrukturen arbeitet. Die IT-Abteilungen großer Konzerne entscheiden sich häufig für diese Lösung, da sie die Ressourcen haben, dies überhaupt anzugehen. So entstehen Milliarden-IT-Ruinen. Sollte es trotzdem je zu einem längeren Wirkbetrieb kommen, dann ist spätestens bei einem Release-Wechsel Schluß: Dieser kann nicht mitgegangen werden und der Konzern bleibt mit seinem CRM-Prozess stehen. Für kleinere Unternehmen kommt dieser Weg eh nicht in Frage.
     

  • Man spiegelt Datenbanken und entwickelt Methoden diese jeweils zu synchronisieren. Jede Applikation arbeitet in ihrer Datensicht und funktioniert entsprechend fehlerfrei. Natürlich liegt das Problem beim Spiegeln: Nicht jedes Datenfeld A hat ein Datenfeld A´ in der CRM-Applikation und umgekehrt. Also gehen Informationen verloren, werden inkonsistent oder können gar nicht erfasst werden. Auch dieser Weg ist eher größeren Unternehmen vorbehalten, da der Aufwand für die Implementierung der Datenspiegelung und der Fehlersuche immens ist.
     

  • Man implementiert den CRM-Prozess als völlig getrennten Prozess und synchronisiert maximal über Kenner wie Auftragsnummer, Kundennummer, etc. Dies ist eher für kleinere Unternehmen geeignet, da ein Großunternehmer hiermit nicht ausreichend seine Rationalisierungspotentiale heben könnte.
     

  • Man kauft Software aus einer Hand. Dies ist der Königsweg und nur für Unternehmen gangbar, deren bisherige Applikationslandschaft ersetzbar ist. Also eher kleinere Unternehmen. Großkonzernen gelingt das Ablösen vorhandener monolithischer Systeme in den seltensten Fällen.  

Und nun wird auch klar, für welche Zielgruppe CRM als ASP nicht sinnvoll ist: Mittelgroße und grössere Unternehmen sollten eine hausinterne Lösung finden. Kleine und mittlere Unternehmen haben dagegen durch eine ASP-Lösung keinen Implementierungsnachteil, sehr wohl aber die oben zitierten Vorteile.

Nun kommen wir zur kundenspezifischen Anpassung. Jedes Unternehmen hat andere Anforderungen an eine Applikation. Dies sind nicht nur branchenspezifische Anforderungen, die von CRM-Software oft abgedeckt wird. Vielmehr sind die Prozesse und IT-Anwendungen historisch gewachsen und können nicht ohne weiteres umgebaut werden. Hinzu kommen bestimmte Vorlieben der IT-Abteilung und der am Prozess beteiligten Vertriebs- und Marketingeinheiten. Teilweise können ASP-Anwendungen in Form von konfigurierbaren Modulen dies bereits abbilden. Alles was darüber hinaus geht, führt aber zu der Unmöglichkeit ein ASP-Angebot zu nutzen.

Will ein Unternehmen also unbedingt die Kosten- und Nutzungsvorteile von ASP nutzen, dann muss es also seine Prozesse der Software anpassen und nicht umgekehrt. Weiterhin muss es ggf. Altanwendungen aus dem ERP-Segment durch Neuanwendungen vom gleichen ASP-Provider ersetzen. Die notwendige Bereitschaft hierzu findet sich meist nur bei kleineren Unternehmen.

Zusammengefasst gibt es also durchaus ein Erfolgspotential für CRM als ASP, geeignet ist dieses Produkt aber umso mehr, je kleiner ein Unternehmen ist.

Auf der Marketingseite hat CRM einen weiteren Vorteil als ASP-Modell Erfolg zu haben: Viele Unternehmen haben keine oder keine funktionierenden CRM-Prozesse. Eine funktionierende Buchhaltung oder ein Auftragsmanagement hat dagegen jede Firma. Bei CRM klafft also momentan noch eine Marktlücke, in die ein ASP-Anbieter einsteigen kann und ggf. die Prozesse der Unternehmen durch sein Angebot formen kann. Bei fast allen anderen Unternehmensprozessen ist dies nicht mehr der Fall.

Abschließend sei noch kurz spekuliert, in welchen Branchen CRM als ASP besonders Erfolg haben könnte. Zuerst einmal sind dies alle Branchen mit starken Außendienststrukturen. Also Versicherungen/Makler, Immobilienmakler, die Pharmabranche und natürlich die IT-Industrie selbst. Auch Industrien mit einem starken mittelständischen Anteil sind geeignet, wie der Maschinenbau oder die Automobilzulieferer. Aber auch alle freien Berufe, da diese meist mittelständisch sind und ihren eigenen Außendienst darstellen. Also Rechtsanwälte, Wirtschaftprüfer, Ingenieurbüros und natürlich die Steuerberater (DATEV).

Das Thema CRM ist aber nicht nur selber dazu gut, die ASP-Umsätze voranzutreiben. Umgekehrt wird ASP auch das Thema CRM in vielen Branchen unterstützen können und wird dabei dann eher für Großkonzerne interessant. Als Beispiel seien die Banken genannt. Diese unterhalten seit Jahren mit ihren kleineren Firmenkunden eine sehr intensive integrierte Zusammenarbeit: Das Online-Banking. Fast alle ERP-Systeme für mittelständische Firmen können über die BTX-Schnittstelle direkt mit der Bank kommunizieren, eingehende Umsätze mit Forderungen abgleichen und Rechnungen bezahlen. Für die Banken liegt es nahe diese Kundenbeziehung im CRM-Sinne auszubauen und weitere ASP-Dienstleistungen ihren Kunden zur Verfügung zu stellen. Erste Firmenkundenportale sind bereits in Betrieb und man wird hier zukünftig noch mehr sehen. Vom Cash-Management bis zum Forderungseinzug kann eine Bank hier die Palette der ASP-Dienstleistungen zur Verfügungen stellen. Und seine eigenen CRM-Systeme mit den sich dabei ergebenden Daten füttern.

 

© 2012 by Dr. Helbig & Partner International Consulting